Da in der Anhaltenden Debatte über Internetzensur in Deutschland immer wieder die Rede von mutwilligen Umgehungsversuchen ist, dachte ich mir, dass mal ein Vergleich her muss, den auch die gute Zensursula (hier schlägt mir die Rechtschreibkorrektur übrigens Zensuraula vor. Was ist eine Zensuraula?) versteht:
Stelle mer uns mal janz Dumm und fragen uns: Was issen das Innernetz?
Im Internet werden Daten von A nach B transportiert. Man kann diese einfach abrufen, wenn man die gewünschte Zieladresse kennt. So in etwa, als würde man ein Paket von jemandem abholen, um es mit nach Hause zu nehmen und dort zu öffnen. Was macht man, wenn man zwar die Adresse, aber nicht den Weg kennt? In der Regel nimmt man sich eine Straßenkarte oder überlässt die Zielfindung dem Navigationsgerät. Da dem Internetnutzer meist nur die URL (z.B.: http://blog.netzpfa.de) einer Internetpräsenz bekannt ist und nicht die IP-Adresse (78.46.83.240) – welche im Fall des Internets quasi die Wegfindung übernimmt – muss diese Nachgeschlagen werden. Das wichtigste Nachschlagewerk im Internet ist nicht etwa Google, sondern das Domain Name System – DNS – das dezentral auf tausenden von Rechnern (von denen man dann mindestens eine IP kennen muss) im Netz läuft. Beim kauf eines Autos ist mittlerweile oft schon ein Navigationsgerät eingebaut und wenn man einen Internetanschluss beantragt, ist meistens ein DNS-Server des jeweiligen Anbieters voreingestellt.
Nun kann es sein, dass man mit dem mitgelieferten Kartenmaterial nicht so ganz zufrieden ist. Vielleicht ist es veraltet, nicht detailliert genug oder es fehlen einfach Adressen. Es würden wohl die Meisten auf die Idee kommen, sich neues Kartenmaterial oder ein neues Navi zu kaufen. Das Äquivalent im Netz ist der Wechsel auf einen anderen DNS-Server, welcher mit dem Austausch von vier bis zwölf Ziffern erledigt und auch von Jedermann durchführbar ist, der es schafft in seinem Router (die Kiste, die zwischen PC und Telefonleitung hängt) die Zugangsdaten einzutragen.
Bei vielen Internetanbietern hat es sich mittlerweile durchgesetzt, dass die voreingestellten DNS-Server bei unbekannten Adressen auf eine firmeneigene Suchseite zeigen und keine gescheite Meldung zurückgeben, die einen darauf hinweist, dass die gewünschte Seite nicht existiert. So in etwa, als würde ein Navi Suchende bei unbekannten Adressen zum Firmensitz des Herstellers führen. Macht mich – und viele andere auch – eine Umstellung des DNS-Servers strafbar, nur weil ich mit dem Dienst nicht zufrieden bin und lieber einen anderen – besseren – nutzen möchte?
Das Stoppschild setzt bei genau diesem DNS an: Man wird bei bestimmten Adressen einfach auf einen Irrweg geführt und kriegt ein falsches Ziel präsentiert. Am Vorhandensein der Adresse hat sich dadurch aber nichts geändert. Wenn man vollständiges Kartenmaterial hat, wird man trotzdem zum Ziel finden. Ganz so, wie ein Stoppschild im Straßenverkehr keine Häuser verschwinden lassen kann, in denen Verbrechen ausgeübt werden, wird kein Umbiegen im DNS auch nur eine Seite wirklich unzugänglich machen. Ganz zu schweigen davon, dass damit den so oft erwähnten und zu einem Politikum gewordenen Kindern noch in keiner Weise geholfen ist.
Ein Zwangstausch der Karten für jeden deutschen Internetnutzer wird von ganz allein dazu führen, dass sich Viele für andere Anbieter – die es wie Sand am Meer gibt – entscheiden und dadurch die Existenz der Stoppschilder nicht einmal bemerken werden. Wie kann man etwas umgehen, dass man nicht wahrnimmt, weil es für einen nicht existiert?
Daher: Löschen statt sperren. Aufklären statt verdecken.
An die technikaffinen Leser: Mir ist bewusst, dass der Vergleich mit Straßenkarten eher Routing aufgreifen sollte und nicht einfach die IP-Adresse, aber man will ja vereinfachen 😉
foto cc-by-nc von Jon Wiley